Dankbare Entdeckung: Schattenfiguren
Dankbare Entdeckung:
Nostalgische Holz-Sägekunstarbeiten, Silhouetten aus Sperrholz
Die „Drei“ und die Schattenfiguren – Ludwigsburg vorgestern und gestern Szenen im Schattenbild – wahre Begebenheiten aus der Stadt – aus Werken bekannter (Heimat)-Dichter
Kunstvoll und diffizil ausgesägte Holzfiguren, verbunden mit Drähten und Ösen zu beweglichen Miniaturen, sind Bestandteile des begleitenden und voll ausgearbeiteten Text-und Spielbuches, mit höfischer Musik unterlegt, heimischem Dialekt, teils in Versen, teils in Prosa. Und die Projektion vom alten Ludwigsburg mit Dias auf einen Hintergrund. Viele deftig, derbe Sprüche spielen von damaligen stadtbekannten Bürgern eine Rolle. So muss man sich die gesamte Szenerie von den „Drei“, schon etwas älteren Ludwigsburger: Karl Werner Teufel (Ideengeber und Initiator), Karl Kempe (handwerkliche Figurenarbeit) und Anneliese und Dietrich Theurer (Mitwirkende und Wiederentdecker) vorstellen. Einfach ein historisches bewegendes Schattenfigurentheater! Heitere Episoden, passierte Begebenheiten, spiegeln die reale Geschichte wieder.
Vom Nachtwächter mit der schlagenden Turmuhr am Marktplatz, erarbeitet bis ins Detail der einzelnen Figuren mit Bewegungen beim Auftritt hinter einer beleuchteten, lichtdurchlässigen Leinwand. Der Wegzug des herzoglichen Hofstaates nach Stuttgart, einer leeren Stadt, einer Reißbrettstadt. Einziehende Soldaten und die Kasernen mit ihren Arsenalen. Dichter Justinus Kerner, Bilderbuch aus seiner Knabenzeit wird zitiert. Der „Bärenwirt“ mit dem „Jakobele“ treten auf. Immer begleitet mit passender Musik aus der Zeit, von Corelli, Vivaldi, Händel und Rossini. Kapellmeister Poli spielt, ein Italiener, verkörpert seine fein gekleidete Figur, mit einem Herrn Spezial, dem Dekan Zilling, ganz trefflich.
Heimatdichter August Lämmle schildert das Ableben des königlichen Leibrosses Helene und die Rolle, die ein pfiffiger hohenlohischer Stallknecht dabei spielt. Auch Waiblingen, nach Lämmle, wird mit einem Oberamtmann mit einbezogen, der württ.-badische Teil im Schwarzwald mit seiner Grenze wird zum Thema mit dem Oberförster und einem Wilderer, dem „Hannes“. Immer neu eingeblendete Dias von der Stadtzsene vervollständigen das Spektakel. Ein Schreiner, Gottfried mit Vornamen, ein kauziger Handwerksmeister aus der Hoferstrasse, ist etwas dem Alkohol zugetan. Es taucht der Arsenalplatz auf, wo Gottfried erscheint, mit einem langen Hobelspan zwischen den Lippen. „Mei G’schäft hängt mir zum Hals raus“, ist eine lapidare Erklärung für seinen Auftritt. Polizeiwache und Gastwirtschaften spielten seinerzeit schon bedeutende Rollen, bis zu Gerichtsverhandlungen und Strafen vom Amtsrichter. Der „Angeklagte“ wehrt sich mit heftigen schwäbischen Ausdrücken.
Auch spätere Gemeinderatswahlen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bringen Handwerker und Städtische Ämter – das Rathaus – gegenseitig in Bedrängnis, weil der Schreiner auf den „stillen Örtchen“ grössere „Klosettbrillen“ anbringen sollte. Das Resultat ist das Geheimnis in der bekannten „Geschichte“, in die Sie sich zurück verzaubern lassen sollten. – Eine köstliche und dankbare Wiederentdeckung nahezu versunkener und vergessener Stadtgeschichte, die durch Zufall, wie so oft, vor der Vernichtung gerettet werden konnte. Vom Vorstand des Bürgervereins der Unteren Stadt, Wolfgang Müller. Bis zu einer Neubelebung wird es noch seine Zeit dauern. Kostproben des Figurentheaters sind im Heilbronner Torhaus ab 1. Mai 2004 bewegend dargestellt. Danke an die drei Senioren und ihre Figuren, in eine Stadt verliebten Ludwigsburger. Das Spiel hat „Pfiff“, auch wenn es nostalgisch und antiquiert „erscheint“. Eine Auffrischung von Figuren und Texten lohnt sich bestimmt allemal. Auch in den Barockzeiten gab es „Licht und Schatten“! Eine Neuinszenierung, auf neuer Bühne, wäre das grösste Erlebnis. Abwarten, vielleicht erkennen einige Gönner und Förderer diesen notwendigen Erhalt unserer „beweglichen“ Geschichte. Auch wenn es sich „nur“ um ausgesägte – aber wertvolle – Holz-Figuren handelt. Anlaß für die Entstehung: Für die 70er-Feier des Jahrgangs 1921 wurde eine Idee gesucht. Einer der Altersgenossen, der schon als junger Kerl Erfahrungen mit dem Schattenspiel gesammelt hatte, brachte sie ein. Er schrieb das Textbuch. Mehrere Monate wurde in abgestimmtem Zusammenwirken entworfen, ausgesägt, geschraubt, geleimt und zusammen gefügt. Vielfach geprobt und ein Film aufgenommen. Das Werk gelang nur zu einer einmaligen öffentlichen Aufführung. Es war seinerzeit keine technisch perfekte Premiere, aber gelohnt hat sich die Mühe trotzdem.
Die Leidenschaft zur Geschichtsschreibung verbirgt sich hinter dem Entstehen dieses für die heutigen Zeiten bedeutsamen, kleinen „Kunstwerkes“. Der Senioren-Gruppe sei es vergönnt, dass – wenigstens Teile – mit einem überarbeiteten Text ins „Hochschwäbische“ und der Instandsetzung der Figuren ein Weiterbestehen dieser Schatten-Elemente Ludwigsburgs gewährleistet wird.
©F.W. April 2004 – zur Eröffnung 01. Mai 2004
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